Emotions

Drei "Panther"

.
Der Panther (I)
(Rainer Maria Rilke)

Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, daß er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille –
und hört im Herzen auf zu sein.


..
Der Panther (II)

Zuletzt, so trüb, erneut ein hoffend Sinnen?
Ein schwarzes Silber glimmt um Leib und Fell,
er legt die Lauscher, grollt, er wird entrinnen,
glüht gelber Augenschlitze Lava hell.

Pranken graben Staub und faule Späne.
Mürbe Planken brechen. Steine splittern.
Knochenstäbe wetzen Säbelzähne.
Schreie gellen, Tier und Mensch erzittern.

Schädel bersten, Fratzen fetzen in kochender Wut,
wilde Jagd gestreckter, reißender Lust,
Hetzen, Rennen, schäumendes, gischtendes Blut –
Im Fluge bricht der Schuß die Brust.


...
Der Panther (III)

Wie süße Gazellen in wogendem Grase heilig entschweben,
das herrliche Spielen befreiender Kräfte dort oben erleben
und mühelos dörrende Steppen im Weißblumen-Himmel durchstreifen,
so wird er im strahlenden Glücke das Große von nahem begreifen.

Ganz sachte verblassende Bilder von Wüsten in flirrender Hitze
und dampfendem Urwald mit rollendem Donner und grellendem Blitze
begleiten und führen den wachsenden, selig verdunstenden Äther
des unsterblich prachtvollen Wesens zum Grunde der ewigen Väter

wo einseinig Mündung und Quelle der Liebe lebendig verwoben
und Engelgeschöpfe von weitumher-allerzeit – lichte erhoben
zur schönen Vollendung des göttlichen Kreises – vergehen vor Freuden
in mondendurchleuchtetem Tage und Güte unendlich vergeuden.

Die Sonnentänzerin

Wohlig um die ganze Sonne wehen,
sprühend Staub und Dunst zerglühen sehen,
Blitzezeiten müßig fortgewoben,
Weg und Raum sind winzig aufgehoben.

Neutrinos, erfrischend,
spritzen ihr Antlitz
und trunk’ne Küsse saufen Tropfen.
Die pochen’s Herz! Wie brennt’s die Kehle!
Welch würzig süßer Feuerodem,
immer wieder heiß!

Strahlende Wärme in leuchtenden Farben,
vom Fuß bis zum Haupte in mächtigen Garben,
durchflutet in lodernder Aura mit Würde
die tanzende Göttin, ganz frei jeder Bürde.

Wie Rehe sich strecken,
nackend im Walde,
ein flinkes Silberlicht im Regen!
Protonen rauschen wohlig nieder,
Photonenschauern nieseln golden,
und die Haut wird glatt.

Fort durch Äonen, erhobenen Mutes,
verströmt sie den Lichterkranz. So nur geruht es
der Mutter des Uriel leichthin zu fließen,
das Leben so zärtlich, doch wild zu genießen.


(Anm.: Uriel ist der Engel des Lichts)

Melancholie

Schüchtern
streicht ein odem
aus der entfernung
um meine seele.

Manchmal flackert
eine nervöse flamme
durch die asche grauer erschöpfung
und schnappt nach ihm.

Unter flockigem pelz
dämmert schläfrige glut
und zärtliche liebkosung
zwinkert sanfte funken.

Bald schon lodert
mein lachen zu Dir
Himmel
es sehnt mich so!

Wutlust

Wer schlug mich zum Opfer, wer quält mich mit unsäglicher Bürde,
wer gräbt mir das Wasser, wer rührt meine menschliche Würde?
Wo berg ich mein Lachen, wann bäumt mich mein unbändiger Wille
zum Tanzen, zum Leben, wann bricht diese tödliche Stille?

Trampelpfade rückwärts tasten, eitrig in der Sucht,
angestrengte Graugespenster lassen keine Flucht.
Ungebor´ne, todeswillig, ziehen mich hinab,
zuzudecken, einzuwerden, schattennichts im Grab.

Wütender Viervierteltakt, du Teufelstanz im Staub,
haftest meinen Sohlen an, es macht so tumb und taub.
Eingebrannte Seelenschrift als Schatten auf der Erd`,
Banngewalten schüttere, ihr wollt nicht, daß ich werd´…

1. Vulkanische befreiung!
2. von innen
3. ein glimmendes lichtlein
4. erleuchtet bald das dunkel
5. wird morgen mein
6. sanftes gesicht
7. sein
8. Lustgeschrei, orkangebrüll loht sonnenglut hervor.
9. deckgebirge fortgeweht
zehntens: es gleiße der glanz empor!

Tangowinter

Rote Rosen einst, irrkraus mit einem Beine im Nebel,
die Blüten jetzt ocker, eisige Gnomen,
trauern mit hängenden Köpfen
dem Tango.


Rote Lippen noch, dräuende Brust an kaltnackter Haut,
wallt Nacht in die Seele. Sehnsucht säuft Schweigen,
Küsse gefrieren zu Stein,
im Tango.


Roter Wein erstarrt, barsch birst der Kelch im trockenen Frost
verwehenden Rausches. Und Prinzritters Braut
weint leise ihr Leid
zum Tango.

Namenlos

Wie in Glas gegoss’nes Behagen
schwebt mein Ort des Sehnens seit Tagen,
fern, weitab im Dunst dieser Wüste,
wo mich einst das Leben begrüßte.

Tiefste Kraft aus dorrender Erde,
Ruhe, schwer in stiller Gebärde,
selbst mit mir in mystischem Bunde,
heilt die Leere mir jegliche Wunde.

Vater? Stirbst bald. Finster, verhangen,
alte Stadt, versinkend, vergangen?
Räuchelst Eis und Staub, läßt mich schauern.
Bricht dein Blick – wie werde ich trauern!

Besinnung

Zurück erinnert, Stirnenblitze aufgezuckt
und ab im Bauch das Tier geduckt,
nach rechts und links
und weit gestrebt –
nun endlich woget samt’ne Stille,
tief erlebt.

Die wispernden Stimmen
versiegen erstaunt.
Raunende Mahren
entschwinden der Stätte
der Leere in mir –
Gönnt mir Ruh!

Allhier bin ich heute
in Räumen aus Rost,
Firnis von Grünspan
in kupfernen Augen,
im Zentrum, zuletzt,
meiner selbst.

Im Zwiegespräch weise
der Wahrheit gelauscht,
bin ich mir recht so.
Im Spiegel der Seele
erblick’ ich den Kern
meines Glücks.

Das Kind in meiner Ecke

Das Kind in meiner Ecke: hockt und starrt
und zittert leise, rührt sich nicht und harrt
dem wärmenden Trost, im Niemandesland
der Angst vor Angst – verzweifeltes Geistlein am Rand

der großen Welt, zu eng gepreßt im Zwinger
meines Herzens, toter Freudenbringer,
Alb meines Glückes, irrender, bleichender Falter,
ich fiebre, du spürst nichts, mein Lebenserhalter.

Das Kind in meiner Ecke hockt und schweigt.
In seinen großen, runden Augen zeigt
es dunkler Tiefen ungeweinte Tränen,
fahle Pferde mit wehenden Mähnen.

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